06
Mrz
18

Über Filme mit „Bio“-Siegel: Grace Jones.

aber auch im Kino fündig, denn biografische Filme haben zur Zeit Hochkunjunktur. Der Folgende hat mich neulich in seinen Bann gezogen.

Grace Jones‘ „Blodlight and Bambi. Das Leben einer Ikone“ ist eine Dokumentation über die jamaikanische Sängerin, die auch modelte und als Schauspielerin arbeitete. Bekannt wurde sie wegen ihrer spektakulären Auftritte als Sängerin in extravaganten Kostümen und mit Flat-Top-Haarschnitt. Mit Slave to the Rhythm landete sie in den 80er Jahren einen ihrer größten Hits. Ihre animalisch schillernden Augen und coolen Moves ließen sie faszinierend androgyn wirken und zu einer Ikone der Gay-Community aufsteigen.
Intuitiv erwartet hatte ich ein Porträt aus dieser Zeit, doch mit Vergangenheit hält sich Regisseurin Sophie Fiennes (die Schwester von Schauspieler Ralf Fiennes) erst gar nicht auf. Sie begleitet Grace über einen Zeitraum von 2 Jahren und fokussiert die inzwischen 70-jährige im Hier und Jetzt. Und diese Gegenwart ist echt ergreifend.
Alles beginnt mit einer Reise zu ihren Wurzeln. Der Sohn von Grace ist Vater geworden, die Familie kommt zum Feiern zusammen. Mit einem kleinen Flugzeug landen wir im tiefsten Urwald Jamaicas. Die Luft flirrt vor tropischer Hitze, jeder Baum scheint zu dampfen. Auch Grace  schwitzt, als wir im Jeep zum Elternhaus fahren. Was wir dort erleben, ist eine einfache und chaotische Küche, ein wildes Durcheinander an Verwandten, die alle gleichzeitig reden, lachen, kochen, essen. Die Handkamera quetscht sich immer irgendwie dazwischen, genau wie Grace das tut. Schnell wird klar, dass ihre Rolle des Stars hier überhaupt nicht zählt. Hier ist sie Mutter, Tochter, Schwester, Tante, Schwägerin und jetzt auch noch Großmutter. Das alles hat eine große Natürlichkeit.
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Grace bringt ihrer Mutter einen irrwitzig großen Hut als Geschenk mit. Den setzt die alte Dame gleich auf und wir begleiten sie zur Kirche. Dort stellt sie sich samt Hut auf die Bühne und stimmt ein Lied an. Dabei stimmt eigentlich gar nichts, denn sie findet nur einen einzigen Ton (buchstäblich einen Mono-Ton), ganz hoch, sehr schräg. Das ist zauberhaft berührend und echt.
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Grace  schwimmt in einem karibisch grün leuchtenden Weiher, andächtig ruhig, ganz ungeschminkt. Sie sieht sie aus wie ein junges Mädchen, ist völlig bei sich.
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New York City, ihr Comeback mit der Platte „Hurricane“ steht an. Grace in der Garderobe. Sie nimmt ihre Verwandlung in die Hand. Trägt Metallic-Lila Lidschatten auf, lackiert die riesigen Lippen lila bis pink. Wir sehen sie im kurvigen Corsett-Body und wie sie in ihre High-Heels steigt. Auf den kurzgeschorenen Kopf kommt ein schwarzer, futuristischer Helm. Dazu die typische schwarze Sonnenbrille.
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Raus aus der Garderobe und wir folgen Grace auf die Bühne. Die Show beginnt: Auf nicht mehr ganz jungen Model-Beinen bewegt sie sich katzenhaft geschmeidig wie eh und je. Jeder Move ist von eleganter Selbstverständlichkeit. Wir hören „Slave to the Rhythm“. Und spüren, wer die Herrin des Rhythmus ist.
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Wieder hinter den Kulissen, staucht sie mit tiefer Stimme ihren Managaer zusammen, wegen eines schlecht verhandelten Konzertvertrags. Sie sagt ihm gerade heraus, was ihr nicht gefällt und was sie braucht. Dabei gelingt ihr das Wunder, dass sie nicht nur resolut, sondern zugleich warmherzig rüberkommt.
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Ob zu Hause bei der Familie, hinter der Bühne oder im Hotel – Grace spricht einen Slang, von dem wir nicht jedes Wort verstehen. Aber zwischen den Zeilen und mit der Körpersprache gibt es nur folgenden klaen Text:  Hier ist ein Mensch, der sein Ding durchzieht. Eine Künstlerin, die weiß,  was sie will.
Grace ist so mutig ist wie anmutig. So großartig wie großzügig. Und aus einem kleinen Dorf mitten im Dschungel von Jamaica.
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Wer den Kinofolm verpasst hat: Es gibt ihn demnächst auf DVD. www.jpc.de